Als erste Tätigkeitsstätte gilt auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird. Das heißt: Der Student kann Aufwendungen für die Fahrten zur Bildungseinrichtung nur mit der Entfernungspauschale und nicht in tatsächlicher Höhe abziehen. Bei einem Auslands(praxis)-semester wird an der ausländischen Hochschule aber keine weitere erste Tätigkeitsstätte begründet, sodass hierdurch verursachte Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen als (vorab entstandene) Werbungskosten abzugsfähig sein können.
Sachverhalt |
Die Steuerpflichtige A studierte nach einer abgeschlossenen Ausbildung an einer inländischen Hochschule. Die Studienordnung schrieb für den Studiengang vor, dass das Studium für zwei Semester an einer ausländischen Partneruniversität zu absolvieren ist, wobei der Student während des Auslandsstudiums an der inländischen Hochschule eingeschrieben bleibt.
Die durch den Besuch der ausländischen Hochschule veranlassten Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen machte A als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte dies jedoch ab, da die Auslandsuniversität die erste Tätigkeitsstätte der A sei und die Aufwendungen daher nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angesetzt werden könnten. Eine solche lag aber hier nicht vor. Im Gegensatz zum Finanzgericht Münster gab der Bundesfinanzhof der Klage der A statt. |
Sieht die Studienordnung vor, dass Studierende einen Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolvieren können bzw. müssen, bleibt die inländische Hochschule die erste Tätigkeitsstätte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Student der bisherigen Bildungseinrichtung auch für die Zeit des Auslandsstudiums zugeordnet bleibt. Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwand im Ausland sind deshalb als Werbungskosten zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliegt. Entsprechendes gilt bei Praxissemestern.
Relevanz für die Praxis
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium sind nur dann Werbungskosten, wenn er zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Anderenfalls handelt es sich nur um Sonderausgaben (bis max. 6.000 EUR im Kalenderjahr abzugsfähig).
Von der Entscheidung profitieren insbesondere Studenten, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben. Denn nur dann handelt es sich um (vorab entstandene) Werbungskosten. Da während eines Studiums keine bzw. nur geringe Einnahmen erzielt werden, führen Werbungskosten regelmäßig zu einem vortragsfähigen Verlust, der in den Jahren der Berufsausübung steuermindernd wirkt. Hingegen bleiben Sonderausgaben bei fehlenden Einkünften in demselben Jahr wirkungslos, da hier keine jahresübergreifende Verrechnung möglich ist.
Quelle BFH-Urteil vom 14.5.2020, Az. VI R 3/18, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 219282; BFH, PM Nr. 56/2020 vom 3.12.2020