Stückzinsen: Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer ist nicht unbillig

Nach Meinung des Finanzgerichts Münster ist es nicht unbillig, Stückzinsen bei der Veräußerung ererbter Investmentanteile mit dem Abgeltungsteuersatz zu belasten, wenn diese auf einen Zeitraum vor dem Erbfall entfallen und daher bereits der Erbschaftsteuer unterlegen haben.

Sachverhalt
Der Steuerpflichtige A erbte 2013 Investmentanteile an einem thesaurierenden Geldmarktfonds. Die Anteile wurden mit einem Wert von ca. 120.000 EUR der Erbschaftsteuer unterworfen. 2017 verkaufte A die Wertpapiere (Kurswert von ca. 115.000 EUR). Nach der Steuerbescheinigung der Sparkasse waren im Veräußerungserlös Stückzinsen i. H. von ca. 35.000 EUR enthalten. Bei seiner Steuererklärung machte A geltend, dass die Stückzinsen wegen des gefallenen Kurses auf einen Zeitraum vor dem Erbfall entfielen. Die anteilige Erbschaftsteuerbelastung betrage 30 % (ca. 10.500 EUR), sodass die Einkommensteuer nach § 35b Einkommensteuergesetz (EStG) zu ermäßigen sei.

Das Finanzamt unterwarf die Stückzinsen der Abgeltungsteuer (25 %) und gewährte keine Steuerermäßigung, weil diese nur für die tarifliche Einkommensteuer gelte. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig. Anschließend beantragte A eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen und führte die Doppelbelastung der Stückzinsen an (30 % Erbschaftsteuer und 25 % Abgeltungsteuer). Spätestens seit Einführung der Abgeltungsteuer seien Erbschaft- und Einkommensteuergesetz nicht hinreichend aufeinander abgestimmt. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Es verwies auf die Regelung in § 35b EStG, die nur die tarifliche Einkommensteuer erfasse, sowie auf die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG.

Das Finanzgericht Münster hat die Klage abgewiesen. Der Umstand, dass die Steuerermäßigung nach § 35b EStG auf Kapitaleinkünfte, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, nicht anwendbar ist, ist nicht sachlich unbillig.

Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er diese Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Aus der gesetzlichen Systematik ergibt sich, dass die Wertpapiere sowohl der Erbschaft- als auch der Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Die aus der späteren Veräußerung resultierende Einkommensteuer ist nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abziehbar. Umgekehrt kann die Erbschaftsteuer als Personensteuer auch nicht bei der Einkommensteuer abgezogen werden.

Mit § 35b EStG hat der Gesetzgeber zwar die Doppelbelastung mit beiden Steuern abmildern wollen, hat dies aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Diese Abmilderung hat er bewusst auf die tarifliche Einkommensteuer beschränkt.

Beachten Sie Gegen eine unbewusste Regelungslücke spricht bereits, dass bei Einfügung des § 35b EStG das Unternehmensteuerreformgesetz 2008, mit dem die Abgeltungsteuer eingeführt wurde, bereits verabschiedet war.

Bei Kapitaleinkünften, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, fällt die Doppelbelastung weniger stark ins Gewicht als bei anderen Einkünften. Zudem findet § 35b EStG bei einer positiv ausfallenden Günstigerprüfung Anwendung.

Quelle FG Münster, Urteil vom 17.2.2021, Az. 7 K 3409/20 AO, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 221448